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Krebsliga SolothurnSie suchen HilfeMeine Geschichte – Betroffene erzählenMeine Geschichte – Betroffene erzählen

Fernanda

Eine junge Mutter, die allen Schicksalsschlägen und Widrigkeiten trotzt.

Die dreifache Mutter hat eine seltene Form von Dünndarmkrebs, erfuhr während der Therapie vom Ehebruch ihres Mannes und hat ein Jahr später ihre Mutter verloren. Trotzdem sagt sie: Ich bin dankbar, denn heute bin ich viel stärker als zuvor.

Fernanda ist eine zierliche junge Frau, die viel lacht und dabei sehr reflektiert von ihrer Vergangenheit mit Krebs berichtet. Nie würde man vermuten, was sie in den letzten drei Jahren alles durchgemacht hat, würde sie einem nicht davon erzählen. Ich treffe sie in der Cafeteria des Claraspitals in Basel, eine Institution, die zu einer Art zweitem Zuhause für Fernanda geworden ist. Irgendwann im Gespräch sagt sie: «Ich war so oft hier, alle kennen mich. Wenn mich die Pflegenden im Gang sehen grüssen sie mich mit Namen! Aber ich bin immer gerne hierher gekommen, die Menschen waren alle so gut zu mir». Es ist ein Ausdruck ihres Umgangs mit der Erkrankung und überhaupt mit den schwierigen und belastenden Situationen der letzten Jahre. Trotz der zahlreichen Schicksalsschläge sieht sie heute das Positive darin und vertraut darauf, dass sie auch weiterhin einen Weg finden wird – ihren eigenen Weg.

Ich musste schwierige Entscheidungen treffen, aber letztlich haben sie mir gut getan.

Fernanda

Mutter und Kinder sind füreinander da.

Ein Traum, der sich in Luft auflöst
Dabei hatte Fernandas Geschichte wie ein Märchen begonnen: Mitte zwanzig lernt sie während der Arbeit für ein Hilfsprojekt in Lateinamerika ihren Mann kennen, zieht in die Schweiz und gründet eine glückliche Familie. Trotz eines gutartigen Tumors im linken Eierstock, der entfernt wird, hat sie drei Kinder, alle sind gesund. Doch als sie 2020 mit einem Darmverschluss ins Spital muss, finden die Ärzte in ihrem Dünndarm mehr als 30 sogenannte neuroendokrine Tumore. Diese entstehen aus Zellen, die Botenstoffe oder Hormone ausschütten und bleiben häufig lange unentdeckt, da sie keine grossen Symptome verursachen. Im Fall von Fernanda führte das starke Wachstum jedoch zum Darmverschluss. In der Folge muss ihr ein Stück des Dünndarms operativ entfernt werden. Danach wird sie medikamentös behandelt, um die Hormonproduktion zu bremsen und somit weiterem Tumorwachstum entgegenzuwirken.

Das harte Erwachen danach
Geschwächt durch Operation und Medikamente, bleibt Fernanda gut einen Monat im Spital. Sie wird künstlich ernährt, bekommt eine Magensonde, die dafür sorgt, dass nichts in ihren Darm gelangt und ihr muss Muttermilch abgepumpt werden, weil ihr Körper diese immer noch fleissig produziert. Bis vor der Operation hat sie ihr jüngstes Kind nämlich noch gestillt. Zu dieser Belastung dazu kommt, dass ihr Mann ihr in dieser Zeit beichtet, dass er sie betrogen hat. Das ist dann wirklich zu viel für die junge Mutter: sie klappt regelrecht zusammen, kann sich nicht mehr bewegen und braucht Antidepressiva, um überhaupt zu funktionieren. Gleichzeitig ist sie beim spitalpsychologischen Dienst in Behandlung. Dieser habe ihr enorm geholfen, ebenso die Reaktion der Pflegenden: «Sie haben mir ein Einzelzimmer organisiert, weil ich nur noch geweint habe und mir Mut zugesprochen, das war so lieb», erinnert sie sich. Trotzdem kann sie nach rund einem Monat wieder nach Hause, wo sich das Zusammenleben mit ihrem Mann zunehmend als sehr herausfordernd gestaltet. Er spielt den Vorfall herunter, sie kann und will aber nicht einfach vergeben und vergessen. Das Problem: sie selbst ist sozial völlig isoliert. Ausser ihrem Mann und dessen Umfeld hat sie in der Schweiz niemanden, ihre eigene Familie lebt in Kolumbien.

Katharina Borer, ehemalige Mitarbeiterin der Krebsliga Solothurn

Die lange Leidenszeit hat ein Ende
Im Dezember 2020 entdecken die Ärzte neue Tumore in Fernandas Dünndarm. Wieder muss sie operiert werden, wieder wird ein Stück Darmtrakt entfernt – insgesamt rund ein Meter. Dies führt nicht nur dazu, dass sie chronischen Durchfall hat, sie kann auch so gut wie keine Nährstoffe mehr aufnehmen. Deshalb muss sie sich künstlich ernähren, mit einer Art «Astronautenfutter», wie sie mit einem Lächeln sagt. Das Positive ist, dass der restliche Dünndarm allmählich die Aufgaben des ihr entfernten Zwölffingerdarms übernimmt. Seit rund einem Jahr kann sie sich gar wieder weitgehend normal ernähren. Auch in anderer Hinsicht geht es seit 2021 bergauf: die Hebamme, die bei ihrem jüngsten Kind die körperliche Entwicklung kontrolliert, empfiehlt Fernanda einen Besuch bei der Krebsliga, um ihre soziale Situation zu besprechen. Dort lernt sie Katharina Borer kennen, die sich sofort für die junge Frau einsetzt und sie ermutigt, sich und die eigene Gesundheit stärker ins Zentrum zu rücken. Zur Unterstützung organisiert sie die Finanzierung für eine Kinderbetreuung sowie für eine Putzhilfe. Für die dreifache Mutter eine riesige Entlastung, nur schon weil ihr das erlaubt, unbesorgt ihre Termine im Spital wahrzunehmen und weniger von ihrem Mann abhängig zu sein. «Ich weiss nicht, was ich ohne die Krebsliga gemacht hätte, das war so wichtig für mich in dieser Zeit», sagt sie zurückblickend. Zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren fühlt es sich für Fernanda so an, als sei ihr etwas Gutes widerfahren. Etwas, das ihr Hoffnung gibt, dass ihre Situation sich tatsächlich verbessern könnte. Doch leider folgt wenige Monate später bereits der nächste Schicksalsschlag: im August 2021 stirbt ihre Mutter, zu der sie trotz der örtlichen Distanz einen sehr engen und guten Bezug hatte. Fernanda stürzt wieder in ein Loch,  was sie schliesslich dazu bewegt, sich eine Auszeit zu nehmen.

Das war so, als wäre ein Engel zu mir gekommen – ich weiss nicht, was ich ohne die Hebamme oder Frau Borer gemacht hätte.

Fernanda

Der Befreiungsschlag und das neue Leben
Im Dezember 2021 verreist sie mit ihren drei Kindern für drei Monate in ihre Heimat, wo sie die Familie besucht und gleichzeitig eine psychologische Betreuung findet, mit der sie unbefangen über ihre persönliche Lebenssituation reden kann. Diese zeigt ihr neue Perspektiven auf und bekräftigt sie darin, sich besser um sich selbst zu kümmern. Zurück in der Schweiz trennt sich Fernanda von ihrem Mann und lebt fortan allein mit ihren Kindern. Die Wochenenden verbringen diese bei ihrem Vater, wodurch Fernanda zum ersten Mal, seit sie Mutter geworden ist, etwas Zeit für sich hat. Dadurch kann sie neue Menschen kennenlernen und selbst ein paar Freundinnen finden. Fast schon entschuldigend erklärt sie: «Wahrscheinlich hören sie das oft von Menschen, die eine Krebserkrankung hinter sich haben, aber ich bin wie eine neue Person. Ich habe so viel gelernt und ich fühle mich heute stärker als zuvor.» Dieses neue Selbstverständnis zeigt sich auch, wenn sie über ihre Zukunft spricht: Davon, dass sie eine Ausbildung machen möchte, dass sie einen Job finden möchte, sobald die Kinder in einem Alter sind, in dem sie nicht mehr ständig zu Hause sein muss und, dass sie auch finanziell unabhängig sein möchte. «Nach dem, was ich hinter mir habe, glaube ich, dass alles möglich ist. Ich würde so gerne anderen Menschen helfen, die von Krebs betroffen sind, jetzt, wo ich selbst eine Erfahrung, eine Geschichte damit habe.»

Ich musste erst eine Krebserkrankung durchleben um zu merken, dass ich mich auch um mich selbst kümmern muss.

Fernanda

Fernanda im Urlaub mit den Kids: der Aufenthalt in ihrer Heimat hat der gebürtigen Kolumbianerin unglaublich gut getan.